Vorwort

15. August 2022

Vor 38 Jahren begann die Arbeiterpartei Kurdistans den bewaffneten Kampf. Mit der Offensive vom 15. August 1984 und der Ausrufung der Befreiungskräfte Kurdistans (HRK) wurde der Kampf gegen den türkischen Kolonialfaschismus auf ein völlig neues Niveau gehoben. Die Angriffe auf die Posten der türkischen Besatzungsmacht in Eruh und Şemzînan mögen zwar militärisch eine verhältnismäßig kleine Bedeutung gehabt haben und doch öffneten sie ein neues Kapitel in der jüngeren Geschichte Kurdistans, der Türkei und des Mittleren Ostens.Während nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 eine bleierne Schwere das ganze Land beherrschte, durchbrach der Klang der ersten Schüsse am 15. August die Todesstille.

Die großen revolutionären Organisationen und sozialen Bewegungen der 70er Jahre waren zerschlagen und die meisten ihrer AktivistInnen, Mitglieder und SympathisantInnen suchten in Europa Zuflucht vor der brutalen Gewalt der NATO-Militärjunta. Auch die noch junge Arbeiterpartei Kurdistans, wurde nicht mal zwei Jahre nach ihrer Gründung hart von der Wucht des Militärputsches getroffen und musste schwere Verluste hinnehmen. Tausende von Kadern und SympathisantInnen waren in den Gefängnissen oder ermordet worden, das organisatorische Netz zerrissen und die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Dank der Voraussicht Abdullah Öcalans, welcher schon im Jahr 1979 eindringlich vor der Möglichkeit eines Militärputsches warnte, gelang es der Partei eine kleine Anzahl von ca. 250 Kadern in sichere Rückzugsgebiete, zuerst nach Syrien und dann in den Libanon, zurückzuziehen. In den Lagern der palästinensischen Befreiungsbewegung gelang es der Partei, sich unter der Anleitung ihres Vorsitzenden Abdullah Öcalans, neu zu strukturieren und auf die zukünftigen Aufgaben vorzubereiten.

Für Abdullah Öcalan und die PKK war von Anfang an klar, dass der Weg in die Fremde Europas die Liquidation und den Zerfall der Organisation zur Folge haben würde. Nur eine Rückkehr nach Kurdistan, eine Fortsetzung des Kampfes, dort wo er begonnen hat, und mit der Gesellschaft, die ihn führen muss, konnte eine gangbare Option sein und die Marginalisierung verhindern. So begannen schon sehr früh die Vorbereitungen für den Aufbau einer Guerillaarmee die zurück ins Land kehren und dem Kolonialismus den Krieg erklären sollte. Doch interne organisatorische Probleme, der andauernde Linienkampf mit der kompromisslerischen und opportunistischen Tendenz, sowie die äußeren Umstände sorgten dafür, dass die Vorbereitungen länger dauerten als geplant. Auch der Einmarsch der israelischen Armee im Jahre 1982 behinderte die Aufbau- und Bildungsarbeiten.

Damals kämpften die Militanten der PKK Schulter an Schulter mit den PartisanInnen der palästinensischen Organisationen gegen die zionistische Besatzungsarmee. Der Abwehrkampf gegen die zionistische Aggression wurde nicht nur zu einer wichtigen militärischen Erfahrung, auch schmiedete er ein bis heute anhaltendes Band zwischen dem Kampf des kurdischen und arabischen Volkes. Mit der Offensive von 1982 versuchte das israelische Besatzungsregime und der Imperialismus die seit den 60er Jahren anhaltende revolutionäre Welle im Mittleren Osten zu brechen und dem Kampf der mittelöstlichen Guerilla ein Ende zu bereiten. Doch die Offensive vom 15. August 1984 brachte diesen Kampf aus den Tälern und Ebenen des Libanons und Palästinas auf die Berge und Gipfel Kurdistans, bewahrte und schützte ihn wie einen Glutherd und entfachte das Feuer ein weiteres Mal. Mit der Offensive des 15. August begann eine neue Epoche des Guerillakampfes nicht nur für die Völker Kurdistans und des Mittleren Ostens, sondern für die gesamte kämpfende Menschheit. Während in den 90er Jahren die bewaffneten Kämpfe im Trikont und auch in den Metropolen, eine Niederlage nach der anderen Einstecken mussten und unter dem Druck der zur Offensive übergegangenen Konterrevolution zerbrachen, sammelte sich in den Bergen und Tälern Kurdistans eine revolutionäre Armee, die es sich zur heiligsten Aufgabe machte, den bewaffneten Kampf und die Methode Guerilla zu bewahren und ins 21. Jahrhundert zu überführen. Allen Angriffen zum Trotz konnte sich der Kampf der PKK gegen alle Widrigkeiten durchsetzen und wurde von Tag zu Tag zu einem starken Faktor in der Region. Was als kleine Gruppe von 15-20 bis zum Äußersten entschlossenen Militanten begann, wuchs zu einer Armee die das Antlitz des Mittleren Ostens für immer verändern sollte.

Aus dieser kleinen Gruppe hungriger Kämpfer, erwuchs die Kraft, die die Revolution von Rojava gebar und heute mehr als ein Drittel Syriens befreite. Aus 20 rostigen, alten und klapprigen auf dem Schwarzmarkt erworbenen Gewehren, wurden Raketen, Geschütze und Panzer, die heute bereitstehen um die Revolution gegen jeden Aggressor zu verteidigen. Aus 20 Partisanen, welche unbeholfen die Berge durchstreiften, ohne Wissen, wie sie sich gegen die Widrigkeiten der Natur und des harten Lebens schützen könnten, wurde eine Guerillaarmee, welche heute mit ihren ausgefallenen Methoden, perfektionierten Taktiken und ihrer einzigartigen Bewegungsart eine der größten Militärmaschinerien, samt all ihrer Technik, an den Rande der Verzweiflung bringt. Die von der PKK entwickelte Methode der Guerilla des 21. Jahrhunderts hat bewiesen, dass auch im 21. Jahrhundert die größte und stärkste Technik immer noch der Mensch selbst ist und selbst die ausgefeiltesten Gerätschaften gegen den Willen und die Kreativität einer geschulten und professionalisierten Guerillakraft zum Scheitern verurteilt sind. Der 15. August besitzt insofern, auch eine globale Relevanz, denn heute hat die PKK damit den Beweis erbracht, dass die Methode Guerilla auch im 21. Jahrhundert keineswegs überholt und veraltet ist, sondern auch heute, vielleicht mehr als je zuvor, die universelle Waffe der Unterdrückten im Kampf gegen einen schier übermächtigen Feind ist und bleibt. Der 15. August und der andauernde und ungebrochene Guerillakampf in Kurdistan sind der Beweis dafür, dass nichts unmöglich ist und die Hoffnung auf eine andere Welt kein Traum und keine ferne Utopie bleiben muss.

Die vorliegende Broschüre vermittelt einen klaren Eindruck dieser Realität und kann auch für die Leserschaft in den imperialistischen Metropolen, zu einer Quelle der Inspiration und der Kraft werden. Umso wichtiger ist es, das Wissen der vergangenen 38 Jahre der revolutionären Bewegung zugänglich zu machen und zu kollektivieren. Mit dieser und vielen anderen Broschüren und Texten wurden in den letzten Jahren wichtige Schritte in diese Richtung unternommen und dennoch liegt noch ein schier unendlicher Schatz der Erfahrung und des Wissens weiterhin verborgen. Es ist unser aller Aufgabe uns dieses Wissen anzueignen, die Erfahrungen der Revolution in Kurdistan an Hand von authentischem Material zu studieren und in die weltweiten Kämpfe um Befreiung einfließen zu lassen.

Kategorien: AnalyseBroschüren