In Gedenken an Garibe Gezer, Halil Güneş, Abdülrezzak Şuyur & Vedat Erkmen!

Vergangene Nacht (2. Januar 22) haben wir bei einem Fahrzeug der Securitas AB (da in der Schweiz bereits die Firma Securitas existiert, heisst der hiesige Ableger Protectas SA) bei ihrem Sitz an der Buckhauserstrasse in Zürich Bitumen in den Lüftungs-, wie auch Innenbereich gekippt und damit fürs Erste am Patrouillieren gehindert.

Natürlich, es ist nicht so, als würden private Sicherheitsfirmen nicht unzählige Gründe für Angriffe und Sabotagen hergeben. Daher wollen wir mit diesem Schreiben genauer darauf eingehen, weshalb wir uns für die Securitas AB bzw. Protectas SA entschieden haben. Als Antrieb für unsere Aktion steht die internationale Solidarität mit den kämpfenden Völker in der Türkei, mit dem kurdischen Befreiungskampf und mit allen revolutionären Gefangenen in den türkischen Knästen. Die Protectas nicht als zufälliges Ziel, sondern weil wir sie für ihre Machenschaften innerhalb der türkischen Knäste, in welchen über zehntausende politische Gefangene einsitzen, zur Rechenschaft ziehen. Denn die Securitas AB übernimmt in zahlreichen Gefängnisen – mitunter auch in den F-Typ-Knästen – Schliesser_innen und Bewachungsfunktionen und beteiligt sich somit an Unterdrückung, Einsperrung, Isolation, Folter und sexualisierter Gewalt.

Vom Krieg in den Medya-Verteidigungsgebieten…

Die türkische Invasion in den Regionen Avaşîn, Metîna und Zap startete Ende April und dauert nun schon über sieben Monate an. Trotz technologischer Überlegenheit, andauernden Luftschlägen und Versuche sich im Gebiet der Guerilla niederzulassen, kommt die zweitgrösste NATO-Armee keinen Schritt weiter. Ganz im Gegenteil: Die türkische Armee und ihre Söldner erleideten mit über 600 Toten nicht nur hohe Verluste, sondern musste sich etwa aus Avaşîn und Teilgebieten der Zap-Region, wie bereits vergangenen Februar aus Gare, erfolglos zurückziehen. Und wie beim Angriff in Gare oder 2018 bei der Invasion in Afrin scheut der türkische Staat nicht davor zurück, Chemiewaffen einzusetzen. Bis heute wurden in diesem Jahr über 320 Angriffe mit Kampfgas auf Guerillastellungen festgestellt und ermutigt durch das Schweigen der internationalen Mächte zu den Kriegsverbrechen, wird die Zahl wohl weiter zunehmen. Dies lässt die Freund_innen der HPG , YJA-Star, sowie HBDH/KBDH aber nicht davon abhalten, weiter unerbittlichen Widerstand zu leisten. Mit der Strategie der Guerilla des 21. Jahrhunderts, mit beweglichen Kleineinheiten, Kriegstunnel und dem Versprechen an die Gefallenen, den Kampf bis zur Befreiung fortzusetzen, gelingt es ihnen Nadelstiche zu setzen, den Feind zu verängstigen, zu demoralisieren und zurück zu drängen. Da die militärischen Angriffe ins Leere laufen und um jene Rückschläge zu vertuschen, dehnt das faschistische AKP/MHP-Regime das Kriegsgeschehen weiter aus: Ob mit Drohnenangriffen etwa im Şengal oder vor wenigen Tagen gegen die organisierte Jugend in Kobanê, dem Krieg niedriger Intensität in Rojava oder in die Kerker der Gefängnisse in der Türkei.

… zu Folter & Mord in den Knästen

Zehntausende politische Gefangene werden in der Türkei vor die Wahl gestellt: Kapitulation oder Einsperrung bis zum Tod. Während im April 2019 aufgrund der prekären Lage durch die Corona-Pandemie unter anderem Gefangene aus mafiösen Strukturen aus den Knästen entlassen wurden, spitzt sich die Lage der revolutionären Gefangenen aktuell zu. In den vergangenen Tagen und Wochen häufen sich die Nachrichten über den Tod von Gefangenen, wie etwa von Halil Güneş und Abdülrezzak Şuyur. Beide seit 1993 in F-Typ-Gefängnissen inhaftiert, leideten unter schweren Krankheiten, dennoch wurde nicht nur eine frühzeitige Haftentlassung (was bei Gefangenen nie passiert, bei welchen es sich um Terrorvorwürfe handelt), sondern auch medizinische Behandlung verweigert. Wenige Tage später, in der Nacht auf den 20. Dezember verstarb weiter der politische Gefangene Vedat Erkmen auf dem Weg ins Krankenhaus, nachdem er schwerverletzt in seiner Einzelzelle (ebenfalls F-Typ-Knast), in welche er vor wenigen Tagen «zu seiner eigenen Sicherheit» verlegt, gefunden wurde.
Die antikurdische Vernichtungspolitik macht innerhalb der Knastmauern nicht halt, sondern ist Teil des Racheplanes gegen die ungebrochenen Kämpfer_innen verschiedenster revolutionärer (sowohl türkischer, wie auch kurdischer) Parteien und Organisationen. Die genannten Gefallenen der letzten Tage stellen dabei nur die aktuelle Spitze dar, seit Anfang 2020 sind mindestens 59 kranke Gefangene gestorben, über 1500 von teilweise lebensbedrohlichen Krankheiten Betroffene sitzen weiter für ihre Ungebrochenheit, ihre politische Identität und für ihren Kampf in den Kerkern.

«Garibe ist nicht nur meine Tochter, sie ist eine Tochter Kurdistans!»

In der Türkei fallen Gefängnisse eine besondere Rolle im Krieg gegen die Feinde des Regimes zu. In den Kerkern der AKP sitzen kurdische und türkische Revolutionäre ebenso wie Menschen, die es gewagt haben auf die Strasse zu gehen und den Mund aufzumachen und werden mit psychisch und physischer Gewalt zu zermürben versucht. Deutlichster Ausdruck jener Barbarei findet sich immer dann, wenn es sich bei den Eingesperrten um Frauen* handelt. Als perfide Methode der Kriegsführung setzt das türkische Militär sowohl bei Gefangenen, wie auch in der zivilen Bevölkerung auf alle Facette der sexualisierten Gewalt bis hin zu Vergewaltigungen. Umso stärker fiel unsere Wut aus (und damit einhergehend unsere Entschlossenheit zur Aktion), als wir vom Tod der Genossin Garibe Gezer erfahren haben. Die dazumals 23 jährige wurde 2016 verhaftet, weil sie Kerboran nach der Ausrufung der Ausgangsperre nicht verliess. Seit ihrer Verhaftung in Einzelhaft wehrte sich Garibe gegen den Knast und seine Bedingungen, unter anderem in dem sie ihre Zelle in Brand steckte. Als Sanktion erfolgte eine Verlegung in einen Knast in Kandira, in welchem sie bis zum Schluss der staatlichen Gewalt ausgesetzt wurde. Der faschistische Staat spricht nun von Selbstmord. Wir sagen: Wenn ein/e Gefangene_r permanent dem psychischen und körperlichen Druck von Isolation, körperlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt wurde und Erniedrigung, Belästigung, Prügel und Vergewaltigung zum Knastalltag gehören und dadurch stirbt, so ist das nichts anderes als staatlicher Mord.

Die Verantwortlichen & Kollaborateure der faschistischen AKP-MHP-Regierung zur Verantwortung ziehen

Die Protectas SA verdient nicht nur ein bisschen Geld mit ihrem Dienst, sie kollaboratieren mit dem AKP-MHP-Regime und beteiligen sich als Akteure an den menschenfeindlichen Zuständen innerhalb der türkischen Gefängnisen.
Für uns ist klar, so lange sie sich nicht aus den türkischen Knästen zurückziehen, sind sie Teil dieses barbarischen Systems und haben sich für alles, was wir in diesem Text angesprochen haben, zu verantworten. Wir sehen unsere Aktion als erster kleiner Beitrag, dem wir mittels Kontinuität im Angriff und der Solidarität mit all unseren kämpfenden Genoss_innen, ob im militärischen oder zivilen Bereich, nach unseren Möglichkeiten und angepasst an unsere hiesige Situation Ausdruck verleihen wollen. Dementsprechend rufen wir dazu auf, die Protectas / Securitas AB überall für ihre Anwesenheit in den türkischen Gefängnissen zu bestrafen und listen hierfür gerne alle ihre Adressen in der Schweiz auf, damit sie hoffentlich nicht mehr zur Ruhe kommen:

- Buckhauserstrasse 26, 8048 Zürich

- Looslistrasse 15, 3027 Bern

- Letzistrasse 29, 9015 St. Gallen

- Rue de Genève 70, 1004 Lausanne

- Z.I. de la Foge, 1816 Chailly-Montreux

- Route de Courgenay 1, 2942 Alle

- Dattenmattstrasse 21, 6010 Kriens

- Via Bertaro Lambertenghi 5, 6900 Lugano

- Merkurstrasse 1, 8640 Rapperswil

- Marchweg 6, 5035 Unterentfelden

- Rue des Platanes 55, 1752 Villars-sur-Glâne

- Chemin des Aulx 18, 1228 Plan-les-Ouates

- Salinenstrasse 61, 4133 Pratteln

- Ruelle des Typographes 4, 2502 Biel/Bienne

- Hauptstrasse 15, 4102 Binningen

- Impasse Colombelle 8, 1218 Le Grand-Saconnex

Lassen wir unsere Trauer zu Wut werden!
Lassen wir internationale Solidarität fassbar werden!
Für alle gefallenen Freund_innen & Genoss_innen – Şehid Namirin !

https://barrikade.info/article/4935

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