Während die versammelten Kriegs-Minister:innen letzte Woche in Madrid den Abschluss ihres Gipfels feierten, haben wir gestern die spanische Vertretung in Zürich verschandelt. Die Aktion richtet sich gegen die offenen und verdeckten Kriege des Imperialismus insgesamt, stellt sich aber besonders an die Seite der kurdischen Freiheitsbewegung, welche dem vereinten NATO Waffenarsenal in den Bergen Nord-Iraks mit grossem Erfolg den revolutionären Guerillakrieg entgegensetzt. Einmal mehr wurden in Madrid die Interessen und Leben der kurdischen Bevölkerung als Verhandlungsmasse für die innerimperialistischen Widersprüche verwendet. Der innenpolitisch angezählte türkische Diktator Erdogan, konnte seine Zustimmung zur (im Krieg gegen Russland strategisch wertvollen) NATO Nord-Erweiterung zum Preis von einer realen Unterstützung seiner genozidalen Kurdistan-Politik verkaufen.
Wir warten nicht darauf zu sehen, ob diese Unterstützung (der USA, Schwedens und Finnlands, aber auch des Irans) den Raum für Erdogan bereits genügend öffnet, um eine neuerliche Bodenoffensive gegen Rojava zu riskieren oder nicht. Denn der Krieg gegen die Revolution läuft bereits und so läuft auch ihre Verteidigung – in Kurdistan und überall!
Nur wenige Tage nachdem sich die Spitzen-Vertreter:innen des euroatlantischen Imperialismus von tausenden Prügelbullen beschützt im bayrischen Garmisch zum G7-Gipfel getroffen haben, fand von Dienstag bis Donnerstag letzter Woche bereits der nächste Kriegs-Gipfel des freien und demokratischen Westens ins Haus: Die Staats-Chef:innen und Verteidigungsminister:innen trafen sich in Madrid zum NATO-Gipfel.
Genau wie der G7-Gipfel oder das kürzlich über die Bühne geschlichene WEF, ist auch der alljährliche NATO-Gipfel zu einem ordentlichen Teil eine öffentlich finanzierte Propagandashow. Mit viel Pomp angerichtet, soll der durch Krise und Krieg gebeutelten heimischen Bevölkerung signalisiert werden, dass ihre starken Lenker:innen alles unter Kontrolle haben. Durch rote Teppiche untermalt, wird einmal mehr mit staatsmännischem Ernst Geschlossenheit und Wehrhaftigkeit demonstriert.
Doch inmitten der kriegerisch aufbrechenden imperialen Blockkonfrontation, vor dem Hintergrund sich verschiebender geopolitischer Kräfteverhältnisse und billionen-schwerer Aufrüstungsprogramme, hat das Zusammenkommen der westlichen Kriegs-Ministerien in Madrid weit mehr als symbolischen Charakter.
Auf ihrem Programm stand insbesondere die Verabschiedung des neuen strategischen Leitbildes der NATO. Entsprechend der neuen Kriege und Krisen umfasst dieses Leitbild neue Akzente, insbesondere die militärische Abwehr von durch die Klimakrise verursachten Aufständen und Migrationsbewegungen, die militärische Fronstellung gengenüber Russland aber auch die Zuspitzung des Verhältnisses zu China. Das chauvinistische Klima in Europa bietet ausserdem eine gute Basis für den weiteren Ausbau der militärischen Schlagkraft, etwa mit der Einbindung Schwedens und Finnlands aber auch mit der Verzehnfachung der in ständiger Einsatzbereitschaft gehaltener gemeinsamer Truppen.
Unverändert bleibt selbstverständlich aber die Zielsetzung zu welcher diese Strategie führen soll: Die Aufrechterhaltung und Erweiterung der Dominanz des euroatlantischen Kapitals, also die Sicherung optimaler Ausbeutungsbedingungen auf der ganzen Welt für die nordamerikanischen und europäischen Monopole.
Seit der Gründung der NATO im Kalten Krieg ergeben sich aus dieser Zielsetzung zwei strategische Stränge, welche das Wesen des Kriegsbündnisses konstituieren. Es ist einerseits die Verteidigung westlicher Einflusssphären gegen konkurrierende Machtblöcke und es ist andererseits die Aufstandsbekämpfung innerhalb dieser Einflusssphären.
Wie eng verwoben diese beiden Stränge miteinander sind, zeigt beispielhaft die Rolle der NATO im Mittleren Osten. Da ist einerseits die langandauernde Konfrontation mit dem russisch-iranischen Block. Denn seien wir uns allen Unkenrufen von der «Zeitenwende» zum Trotz bewusst, dass die Austragung der Block-Konkurrenz mit militärischen Mitteln keineswegs eine Neuerfindung der russischen Invasion in die Ukraine ist; neu ist daran nur, dass sie auf europäischem Boden statt findet. Es ist wichtig zu sehen, dass das türkische Regime heute nur vor dem Hintergrund dieser Konfrontation Bestand haben kann.
Andererseits kommt in der tatkräftigen Unterstützung des türkischen Krieges gegen die kurdische Freiheitsbewegung der strategische Strang der Aufstandsbekämpfung zum Ausdruck. Denn der türkische Diktator Erdogan mag noch so stolz sein auf seine einheimische Drohnenproduktion, ohne umfassenden Technologie Transfer der NATO und vor allem auch ohne die Weitergabe der US-Satelliten-Aufklärung wäre diese nichts wert und der technologische Krieg in den Bergen Kurdistans schon lange gescheitert. Es ist dabei wichtig zu sehen, dass diese Unterstützung des türkischen Faschismus von Seiten der USA und Europa nichts mit Opportunismus zu tun hat, sondern dem gemeinsamen strategischen Ziel der Aufstandsbekämpfung entspricht.
Wir müssen genau beobachten welche Widerspruchslinien sich innerhalb der NATO und zwischen der NATO und mit ihr konkurrierenden Blöcken entwickeln, aber wir dürfen dabei niemals vergessen, dass es am Ende bloss um Revolution und Konterrevolution geht. Und dass wir in diesem Widerspruch – in Rojava ebenso wie in der Schweiz – gut beraten sind, konsequent auf die Entwicklung der eigenen Seite, der Revolution, zu setzen.
Was dieses Setzen auf die eigene Seite in Rojava heisst, ist klar. Die Guerilla führt es uns tagtäglich vor Augen, dass es durch Entschlossenheit, Organisation, sowie taktische und technologische Anstrengungen durchaus möglich ist, sich gegen einen Feind zu behaupten, der ihr an Feuerkraft weit überlegen ist. Aber auch das Volk in Rojava und seine Milizen demonstrieren Tag für Tag, was es braucht um eine Revolution 10 Jahre lang zu verteidigen. Eben genau das Erkennen und Ausnutzen von taktischen Spielräumen, welche in den geopolitischen Rissen entstehen und gleichzeitig aber der unbedingte Fokus auf die gesellschaftliche und militärische Weiterentwicklung der Revolution.
Hier, im stark befestigten Herzen des Imperialismus, ist es schwieriger zu erkennen, worin der Fokus auf die Entwicklung der Revolution bestehen soll. Klar aber immerhin ist, dass es heisst, dass wir uns ebensowenig wie die kurdische Guerilla von der Übermacht des Feindes überwältigen lassen dürfen. Nicht von den pompösen Gipfeln, nicht von chauvinstischen Wellen in der Gesellschaft und nicht vom stetig aufrüstenden Bullen-Apparat. Wir müssen stattdessen beharrlich den Angriff suchen, in jede sich auftuende gesellschaftliche Ritze intervenieren – genau so wie die Guerilla jeden Felsvorsprung für einen potentiellen Hinterhalt nutzt.
Bijî Berxwedana Gerîla – Bijî Berxwedana Rojava!
Hoch die internationale Solidarität!