Trotz dem Freispruch im „KillErdogan“-Prozess am 09.03. zogen am Abend 200 Menschen mit verschiedensten politischen Hintergründen durch Bern. Die Kritik am Regime Erdogans und der Widerstand dagegen beschränkt sich nicht auf den Gerichtssaal. Deshalb haben wir uns lautstark die Strasse genommen und dem politischen Prozess einen würdigen Abschluss verleiht.
Folgender Text wurde an der Demo als Flyer verteilt:
Im März 2017 wurde an einer Demonstration in Bern ein Transparent gezeigt, darauf stand „KillErdogan – with his own weapons“. Dieses Stück Stoff löste heftige Reaktionen auf Seiten des türkischen Präsidenten Erdogan aus. Der Schweizer Botschafter wurde herbei zitiert und es gab diplomatische Verstimmungen zwischen der Schweiz und der Türkei. Fast 5 Jahre später standen nun 4 Angeklagte vor dem Regionalgericht. Ihnen wurde vorgeworfen, „öffentlich zu Gewalt und Verbrechen“ aufgerufen zu haben. Die Angeklagten nahmen die Strafbefehle nicht an, denn sie und mit ihnen ganz viele Andere wissen: Es ist Erdogan, der für Gewalt und Verbrechen verantwortlich ist!
Erdogan will die unbekannten Macher:innen bestrafen, die Schweiz soll ihm Namen liefern. Die Politik machte Druck auf die Schweizer Justiz, welche sich die erstbesten suchten, um sie bestrafen. Doch der Spiess wurde umgedreht und der Prozess genutzt, um die Politik Erdogans anzuprangern und über seine Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu berichten.
Denn mit dem Strafverfahren knickt die Schweiz vor einem mörderischen und unterdrückerischen Regime ein. Seit Jahren reisst Erdogan immer mehr Macht an sich. Durch ein Referendum ist es ihm gelungen, sich de facto als Diktator zu installieren. Seine fundamental-islamistische Politik ist ein direkter Angriff auf die Gleichberechtigung der Geschlechter und die feministische Bewegung. In der Türkei geschieht täglich mehr als ein Femizid. Seine Macht versucht er mit massiver Repression zu sichern. Zehntausende Oppositionelle Politiker:innen, Aktivist:innen, Journalist:innen sitzen in den Knästen und werden gefoltert. Ethnische und religiöse Minderheiten werden unterdrückt und vertrieben.
Die wirtschaftliche Lage ist miserabel, der Kursverfall hoch. Viele Menschen können sich kaum mehr ihr Überleben sichern. Sogar Grundnahrungsmittel werden zu Luxusgüter. Die Grossprojekte, welche die Wirtschaft ankurbeln sollen, haben keinen Nutzen für die Bevölkerung. Erdogan baut keine Schulen sondern Gefängnisse, Prestigeobjekte oder Staudämme. Er zerstört die Umwelt und damit auch die Lebensgrundlage der ländlichen Bevölkerung.
Das Aufstauen von Flüssen nutzt Erdogan auch, um in Nordsyrien und im Nordirak die Abflussmenge der Flüsse zu kontrollieren und somit Dürren oder Überschwemmungen zu produzieren. Es ist ein Mittel des Krieges, den er schon lange gegen die kurdische Freiheitsbewegung führt. Mit Drohnen, Giftgasanschlägen und der Unterstützung islamistischer Terrorbanden wie dem sogenannten Islamischen Staat versucht er, die revolutionären Autonomiebestrebungen in den kurdischen Gebieten zu bekämpfen.
Der Westen nimmt den Krieg nicht nur Stillschweigend hin, sondern unterstützt ihn. Erdogan lässt sich von Europa fürstlich bezahlen, damit er flüchtende Menschen davon abhält, sich auf die Balkanroute zu begeben. An den türkischen Aussengrenzen sterben zahlreiche Schutzsuchende den Erfrierungstod oder werden direkt durch das Militär erschossen.
Von staatlicher Seite können wir nicht erwarten, dass etwas gegen das Regime Erdogans unternommen wird. Die Investitionen und Profitraten von CS, UBS, ABB und Co sind zu gross, die Ausbeutungsbedingungen in der Türkei für viele Firmen sehr lukrativ.
Zahlreiche Schweizer Unternehmen wollen ihre Profite in der Türkei erhöhen. Firmen wie Victorinox oder MB Microtec treten an grossen Waffenmessen in der Türkei auf, um sich lukrative Aufträge der türkischen Armee zu sichern. Technologiekonzerne wie ABB oder Schindler mischen mit bei Grossprojekten und der türkische Schwesterkonzern der privaten Sicherheitsfirma „Protectas“ übernimmt Aufgaben in den Folterknästen.
Der französische Versicherungskonzern AXA übernahm Anteile am Pensionsfond der Generäle der türkischen Armee und die Schweizer Banken investieren grosse Summen in Rüstung und Umweltzerstörung in der Türkei. Das Weltwirtschaftsforum in Davos bietet auch türkischen Rüstungsfirmen eine Plattform zur Vernetzung und erst kürzlich hat die Schweiz ein neues Freihandelsabkommen mit der Schweiz unterschrieben.
Hier in der Schweiz fragen sich viele, warum geht mich das etwas an? Was habe ich damit zu tun? Das sind wichtige Fragen, wenn Sie eine Antwort hören wollen. Denn der Schweizer Wohlstand, von dem einige in diesem Land massiv profitieren, basiert auf der weltweiten Ausbeutung und Plünderung. Er basiert darauf, dass trotz massiver Menschenrechtsverletzungen Handel geführt wird. Er basiert auf dem schweigenden Zustimmen der Schweizer Politik mit dem Terror, den Erdogan verbreitet. Wenn wir wirklich für eine friedliche und gleichberechtigte Gesellschaft einstehen, dann müssen wir unsere Verantwortung auch jenseits von konstruierten Grenzen wahrnehmen. Wir müssen hinschauen und anprangern, aufzeigen und angreifen. Denn wer weiss und nicht handelt, der:die macht sich mitschuldig. In diesem Sinne kämpfen wir gegen dieses sauber geputzte und ruhige Schweizer Hinterland. Machen wir es den Waffenkonzernen, Rohstofffirmen CEO’s und milliardenschweren Oligarchen ungemütlich. Dem Krieg kein ruhiges Hinterland!
Es geht dabei nicht nur um Erdogan. Aktuell sehen wir Putin, wie er ähnliche Verbrechen begeht wie der NATO Staat Türkei unter Erdogan. Auch Putin führt ein Angriffskrieg, bombardiert Schulen und Zivilist:innen. Ähnlich wie bei der Türkei, ist auch im Fall Russland das Schweizer Kapital ganz vorne mit dabei. Milliarden Vermögenswerte von russischen Oligarchen und Firmenbesitzer liegen auf Schweizer Konten. Superreiche Russen und Ukrainer machen es sich am Genfersee bequem, während in ihrer Heimat der Krieg tobt und die Armen und Mittellosen sterben. Die halbherzigen Sanktionen sind ein blanker Hohn vor dem Hintergrund, dass die Schweiz einerseits Russland, wie auch die Ukraine mit Waffen belieferte und Instituten wie der Gazprombank immer einen sicheren Hafen bot. Schweizer Kriegsprofite werden nie gefährdet sein.
Und so erstaunt es kaum, dass die Schweizer Strafverfolgungsbehörden dem Druck der Diktatur Erdogans nachkommen und den „KillErdogan“-Prozess inszenierten. Wirtschaftliche und geopolitische Beziehungen werden gepflegt, auch wenn das bedeutet, mit der eigenen Justiz kritische Aktivist:innnen zu verfolgen und ans Messer zu liefern. Doch der Prozess ist nicht primär ein juristischer, es ist ein politischer Prozess. Entsprechend muss auch die Auseinandersetzung mit dem Prozess sein: Politik gehört auf die Strasse, nicht in einen Gerichtssaal. Und so sind wir heute – einmal mehr – auf der Strasse, um aufzuzeigen, welch diktatorische, zerstörerische und ausbeuterische Politik Erdogan verfolgt und um uns mit den vielen Kämpfen gegen die türkische Regierungspolitik zu solidarisieren.
Nehmen wir also unsere Verantwortung auch in der Schweiz wahr. Lassen wir dem Krieg des türkischen Faschismus kein ruhiges Hinterland!
Gegen die Diktatur Erdogans – Keine Schweizer Kriegsgeschäfte!