geschrieben von dem Internationalisten Dîrok Hevî

Seit dem 14.04.2022, seit einem Monat nun bombardiert der faschistische Türkische Staat täglich die freien Berge Kurdistans. Es ist nicht nur eine kleine Operation von der wir hier sprechen, sondern eine neue Phase in diesem Krieg. Ein Krieg der darauf abzielt das kurdische Volk und alle seine Errungenschaften der letzten 50 Jahre zu vernichten. Nicht von ungefähr gehen diese intensiven Angriffe in den Bergen mit Angriffen in Shengal, Rojava und Nordkurdistan einher. In Shengal durch die Irakische Armee, die versucht mit aller Macht in die, nach dem durch den IS verübten Genozid an den Eziden 2014 nun selbstverwaltete Region Shengal, einzudringen. Gleichzeitig werden die sowieso schon täglich stattfindenden Angriffe auf Rojava noch einmal verstärkt und gehe mit vermehrten Drohenangriffen einher. Auch in Nordkurdistan (dem von der Türkei besetzten Teil Kurdistans) gibt es intensive Verhaftungswellen, Angriffe und Gewalt. Doch mit der Diskussion über die bereits beschlossene Aufnahme (die im Zuge der notwendigen Einheit des westlichen, NATO Blockes unter der Führung der USA) Schwedens und Finnlands in die NATO versucht die Türkei nun auch durch eine vorgeschobene Blockade dessen, den kurdischen Strukturen in diesen Ländern empfindlich zu schaden. Deutschland bleibt in dieser Hinsicht sowieso seiner Rolle der letzten 150 Jahre treu, als strategischer Verbündeter der Türkei, als treuer Gehilfe beim Völkermord und als aktiver Kämpfer gegen Befreiungsbewegungen und den Sozialismus.

Natürlich könnte man sich jetzt fragen, was das alles mit uns als InternationalistInnen zu tun hat, ganz besonders auch mit denen, die sich wenig bis gar nicht mit der Kurdischen Frage oder der Lage in Kurdistan beschäftigen. Genau das ist die essentielle Frage, die wir hier beantworten wollen und müssen, denn ob wir wollen oder nicht hat die Revolution in Kurdistan eine strategische Rolle riesigen Ausmaßes. Daher kurz dazu.

Wir haben nicht die Zeit und den Rahmen auf die gesamten Aspekte des internationalistischen Kampfes in Kurdistan einzugehen, daher der Versuch durch eine Schlaglichter den genannten Punkt zu veranschaulichen. Bereits seit Anfang des Kampfes der Freiheitsbewegung Kurdistans schlossen sich ihr neben KurdInnen, AraberInnen, TürkInnen, ArmenierInnen und andere Völker an. Es war von Anfang an nie nur ein Kampf der oder für die KurdInnen. Genauso wie seit dem Beginn der Aspekt des Sozialismus und Internationalismus eine zentrale Rolle einnahm. Einige der ersten Gefallen der Freiheitsbewegung Kurdistans ließen ihr Leben, als sie nicht auch nur einen Schritt zurückwichen im Angesicht der israelischen Invasion im Südlibanon wo ihnen zu dieser Zeit ein Ausbildungslager von den palästinensischen GenossInnen zur Verfügung gestellt wurde. Im Zuge des von der NATO mit organisierten Militärputsches vom 12. September 1980 der das Ziel hatte alle revolutionären Bewegungen in der Türkei zu vernichten verwand die Freiheitsbewegung Kurdistans viel Energie auf den Aufbau einer antifaschistischen Front gemeinsam mit türkischen revolutionären Organisationen. Etwas das heute in Form von HBDH (Vereinigte Revolutionäre Volksbewegung) seit 2016 eine aktive Rolle in der Türkei spielt, doch dazu später mehr.

Während die Freiheitsbewegung Kurdistans eine der wenigen revolutionären Bewegungen dieser Welt war die nicht nur das Ende der Sowjetunion überstand, sondern vielmehr gestärkt daraus hervorging, wurde ihre Rolle in den 90er Jahren umso wichtiger. Die selbstkritische Reflektion über den Realsozialismus und die eigenen Mängel führte zu einer Stärkung und einer starken Praxis die in den 90ern zu einem strategischen Gleichgewicht zwischen dem faschistischen Türkischen Staat und der Freiheitsbewegung Kurdistans führte. Besser gesagt zwischen der NATO und der Guerilla. Alleine hätte sich dieser faschistische Staat nie im Leben so lange halten können, doch auch dazu später der Bogen den wir zu heute schlagen werden. In den 90er Jahren kamen InternationalistInnen aus vielen Ländern der Welt zu Rêber APO um von der Bewegung zu lernen und ihre Erfahrungen weiterzutragen. Einige von ihnen gingen in die Guerilla, einige wurden verletzt oder wurden zu MärtyrerInnen so wie Andrea Wolf 1998 (Şehîd Ronahî). Doch das Band wurde intensiver auch mit den Kontakten die z.B. in Europa geknüpft wurden, wo gemeinsame Kämpfe ausgefochten wurden. Erinnert sei hier symbolisch an den Briefwechsel der RAF Gefangenen Christa Eckes und des Gefangenen der Freiheitsbewegung Kurdistans Hüseyin Çelebi 1988-89. In der deutschen Nachkriegsgeschichte vielleicht zwei der Bewegungen gegen die der Deutsche Staat mit am meisten seine Kräfte mobilisierte. Exemplarisch dafür stehen der Bau von Stammheim und der Bau des so genannten Düsseldorfer Käfigs für diese Gerichtsprozesse in denen an Hand von einigen eine ganze Bewegung verurteilt werden sollte.

Mit dem Internationalen Komplott gegen Rêber APO, bei dem er im Herbst 1998 zum Verlassen Syriens gezwungen wurde und zu einer Odysee durch ganz Europa führte und an dem mehr als 30 Staaten weltweit beteiligt waren wurde der Versuch unternommen, nachdem Anschlagspläne mit Sprengstoff wie im Mai 1996 fehlgeschlagen waren, seinen Einfluss einzudämmen. Bereits zu Beginn der 90er Jahre wurde die KRG im Nordirak nicht gegründet aus Menschenfreundlichkeit gegenüber Kurden oder als Reaktion auf das Leiden unter Saddam, sondern um durch Kollaboration der feudalen Clanstrukturen mit den Parteien KDP und YNK das Einflussgebiet der Freiheitsbewegung Kurdistans einzuschränken und ein Überschwappen dieses revolutionären Funkens auf den gesamten Mittleren Osten, was von der Bedeutung einer zweiten Oktoberrevolution gleichgekommen wäre, zu verhindern. Deswegen sehen wir bereits seit den 80er Jahren eine massive Unterstützung durch die NATO im Kampf gegen die Guerilla in Kurdistan.

Das Ziel des Internationalen Komplotts war deshalb, die Bewegung unschädlich zu machen oder zu liberalisieren und ans System zu binden, um ihren Einfluss auf andere revolutionäre Bewegungen zu verhindern. Ihr internationalistischer Charakter wurde von Anfang an vom System als große Gefahr gesehen. Während mit dem Fall der Sowjetunion das Ende der Ideologien und der ultimative Sieg des Kapitalismus verkündet wurde passte es nicht ins Konzept, dass in Kurdistan auf den Sozialismus bestanden wurde und mit dem demokratischen Sozialismus eine eine neue Stufe des Kampfes erreicht wurde. Kurz gesagt, trotz großer Schwierigkeiten und Gefahren gelang es der Freiheitsbewegung Kurdistans sich weiterzuentwickeln und mit dem Neuen Paradigma das Rêber APO in sein er ganzen Fülle im Manifest der Demokratischen Zivilisation (5 Bände) beschreibt, den Kampf auf eine völlig neue Stufe zu heben. Auch der Kampf der Guerilla und des Volkes intensivierte sich in den 2000ern noch einmal und der faschistische Türkische Staat wurde mehrmals so stark in die Ecke gedrängt das er sich gezwungen war gewisse Konzessionen zu machen. Etwas das die NATO mit Sorge betrachtete und der Türkei militärische und finanzielle Hilfe jedweder Art zukommen ließ. Mit dem Fokus auf Technik und Spezialkrieg (Drogen, Prostitution, massives einkerkern etc.) in den letzten Jahren soll die gesamte kurdische Gesellschaft angegriffen und ihre Bande der Solidarität zerstört werden und die Gesellschaft in der Türkei so sehr geängstigt werden, dass sie sich nicht auflehnt. Das letzte große Aufbäumen bei den Gezi Protesten 2013, das den Diktator Erdogan in Angst und Schrecken versetzte, zieht bis heute Repression in voller Härte nach sich.

Mit der Revolution in Rojava, die im Sommer 2012 das Dunkel der Region erhellte und schnell zu einem Feuer der Hoffnung wurde brachte den fast vergessenen Kampf und das bis dato für viele Menschen weltweit immer noch unbekannte Schicksal der KurdInnen erneut auf die Tagesordnung. Neben all den Errungenschaften zeigte es der Welt und den revolutionären Kräften weltweit, dass Revolution immer noch möglich war, entgegen all der Propaganda des Systems. In einer Welt in der sich der Faschismus erneut mit rasender Geschwindigkeit ausbreitet. Viele Menschen wurden von der Revolution in Rojava inspiriert und viele machten sich auf den Weg nach Rojava um hier zu kämpfen, zu lernen und zu unterstützen. Mit der Revolution in Rojava erreichte der Kampf der Freiheitsbewegung Kurdistans eine neue Stufe und mit ihr auch der Internationalismus der Revolution. Wir sind heute an einem Punkt, dass die Revolution in Rojava in Kürze ihren 10 Jahrestag feiern wird. 10 Jahre befreite Gebiete, 10 Jahre die ganz im Sinne des Aufbaus einer revolutionären Alternative zum System stehen. Und das trotz der täglichen Angriffe durch den faschistischen Türkischen Staat, NATO, den IS, das syrische Regime und kurdische Kollaborateure. Und trotz, im Verhältnis zur Bedeutung der Revolution im globalen Kontext und des historischen Ausmaßes, geringer Solidarität durch die weltweite Linke!

Genau das nun ist der Punkt der wir begreifen müssen. Dieser Zusammenhang. Das oft beschworene “Bündnis mit den USA” das die Revolution zu einem imperialistischen Spielball macht ist Resultat der Schwäche der weltweiten Linken, Chauvinismus und Verklärung der Realität. Wenn die Wahl zwischen kompletter Auslöschung und der Möglichkeit die Existenz deines Volkes zu verteidigen liegt, was würdest du wählen? Wäre die globale Linke stärker und schneller zur Stelle gewesen mit Waffenlieferungen und Druck auf NATO und den türkischen Faschismus, vielleicht wäre alles ganz anders gekommen. Und es ist noch nicht zu spät aus diesen Fehlern zu lernen und sie nicht zu wiederholen. Denn der Kampf in Kurdistan betrifft uns alle. Wenn die Revolution in Rojava fällt, wird die weltweit geborene Hoffnung erneut erlöschen und alle Kämpfe schwächen. Was gerade in den freien Bergen Kurdistans passiert ist trotz des stündlichen Einsatzes von Kampfdrohnen und Chemischen Waffen der legendäre und historische Widerstand der Guerilla. Einer Guerilla, die nie nur kurdisch war. Es ist vielleicht in diesem Maße die weltweit größte internationalistische Guerilla. Neben KurdInnen kämpfen dort hunderte, wenn nicht tausende AraberInnen, TürkInnen und KämpferInnen aus vielen europäischen Ländern und sogar anderen Teilen der Welt. Dieser internationalistische Widerstand soll gebrochen werden um zu sagen, Guerilla ist keine Methode, mit der die Unterdrückten dieser Welt, die Verdammten dieser Welt ihre Befreiung erkämpfen können. Einem Widerstand in dem in den letzten Jahren mehrere deutsche Guerilla KämpferInnen wie Şehîd Sara, Şehîd Bager und Şehîd Şiyar ihr Leben für unsere Freiheit ließen.

Das Ziel ist, die Hoffnung zu zerstören, dem Sozialismus ein für alle Mal den Gar aus zu machen. Sie wollen die sich in den Bergen Kurdistan entwickelnde internationalistische Guerilla des 21. Jahrhunderts vernichten. Das müssen wir verhindern. JETZT! Denn es geht uns alle an, es hat einen enormen Einfluss auf die Kämpfe von uns allen. Fällt die Revolution in Kurdistan, werden auch danach die noch wenigen revolutionären Kämpfe in der Welt ausgelöscht werden. Kurdistan hat nicht nur geografisch, sondern auch im ideellen Sinne eine fulminante Bedeutung. (In diesem Sinne ist jedeR InternationalistIn in den Bergen Kurdistans bei der Guerilla herzlich willkommen).

Deswegen müssen wir handeln und zwar schnell. Es geht um nicht weniger als um die Verteidigung des weltweiten Sozialismus, um die Verteidigung der Hoffnung, um die Verteidigung der Freiheit.

Während das System versucht im Schatten des Krieges in der Ukraine alle schmutzigen Operationen zu erledigen und möglichst alle Bewegungen im Westen auf eine Linie zu bringen und in diesem Zuge die NATO zu stärken und zu reorganisieren und ihr damit mehr Bedeutung zu geben, ist es wichtig nicht in diese Falle, die der Linken schon im ersten Weltkrieg gestellt wurde, zu tappen. Wir dürfen die strategischen Aufgaben dieser Zeit nicht aus den Augen verlieren.

Vertretungen und Orte des türkischen Faschismus gibt es überall, lasst sie nicht in Frieden. Wir müssen unsere internationalistische Pflicht der Revolution gegenüber wahrnehmen. Denn unsere Existenz ist mit ihr Verbunden, der Erfolg der Revolution in Kurdistan, wird eine Demokratisierung des Mittleren Ostens mit sich bringen und den Weg für die Weltrevolution bereiten.

Deswegen ist es Zeit zu handeln. Wir müssen die Totalisolation über Rêber APO, der diese Bewegung geschaffen hat und sein ganzes Leben diesem Kampf gewidmet hat, auf der Gefängnisinsel Imrali brechen und ihn physisch befreien. Wir dürfen dem türkischen Faschismus und seinen Kollaborateuren kein ruhiges Hinterland lassen. Wir müssen uns organisieren, in kleinen Gruppen, kleinen Zellen, ständig in Aktion. Der Krieg in Kurdistan ist in einer Phase von Sein oder Nicht sein. Entweder der türkische Faschismus und mit ihm die NATO wird siegen und den Mittleren Osten nach Afghanistan und dem Irak in noch größeres Chaos stürzen und den IS zu erneuter Stärke bringen oder wir werden Siegen und der Befreiung aller Unterdrückten einen Schritt näher kommen.

Eine gemeinsame Front gegen den Faschismus, wie sie mit HBDH schon 2016 gemeinsam mit türkischen RevolutionärInnen aufgebaut wurde muss noch weiter gedacht werden. Der türkische Faschismus, Faschismus im Allgemeinen, sind überall eine Gefahr für das freiheitliche Zusammenleben der Völker.

In diesem Sinne, lasst uns mit dem kämpferischen Geist der Jugend entschlossen dem Faschismus entgegentreten. Auf zu Aktionen. Auf zum Kampf.

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