Anrede,
ich verneige mich im ehrenden Gedenken an die Opfer des Aghet, des Sayfo, des Völkermordes an den Armeniern, Assyrern-Aramäern und Pontosgriechen von 1915/16.
Wenn ich als Historiker über den Genozid an den Armeniern spreche, werde ich immer wieder von türkischen Nationalisten kritisiert. Es heißt dann, ich solle mich lieber mit den Verbrechen der deutschen Geschichte befassen.
Genau das möchte ich tun! Denn der Völkermord im Osmanischen Reich ist auch Teil der deutschen Geschichte, er ist eines der großen Verbrechen des deutschen Imperialismus.
Das deutsche Kaiserreich war der wichtigste Verbündete der Türkei. Erst der Kriegseintritt an der Seite Deutschlands ermöglichte es der jungtürkischen Führung, ihre völkermörderischen Pläne zur Schaffung eines türkisch-sunnitischen Staates umzusetzen.
Deutsche Generäle an der Spitze der Osmanischen Armee empfahlen ihren türkischen Verbündeten die Deportation von Armeniern. In den Händen der Jungtürken wurde der nachfolgende Deportationsbefehl zum Vernichtungsinstrument.
Den deutschen Militärs war das bewusst. Marineattaché Hans Humann vermerkte damals – ich zitiere – „Die Armenier werden … jetzt mehr oder weniger ausgerottet, das ist hart, aber nützlich“
Und der Chef der osmanischen Flotte, der deutsche Admiral Souchon, notierte in seinem Tagebuch,- ich zitiere – „für die Türkei würde es eine Erlösung sein, wenn sie den letzten Armenier umgebracht hat, sie würde dann die staatsfeindlichen Blutsauger los sein“.
Deutsche Offiziere unterzeichneten Deportationsbefehle für Tausende beim Bau der Bagdadbahn eingesetzte armenische Arbeiter und ließen das armenische Viertel von Urfa beschießen.
Reichskanzler von Bethmann Hollweg weigerte sich, gegen diese Massaker an der christlichen Bevölkerung zu protestieren mit der Begründung: „Unser einziges Ziel ist es, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zugrunde gehen oder nicht.“
Die einzige Stimme, die sich im Deutschen Reichstag gegen das Abschlachten der Armenier erhoben hatte, war diejenige des Sozialisten Karl Liebknecht. Andere Abgeordnete brüllten Liebknecht nieder. Die SPD schloss ihn aus ihrer Fraktion aus.
Als der Krieg für Deutschland verloren ging, verhalf das deutsche Militär den Hauptverantwortlichen für den Völkermord zur Flucht. Doch Talaat Pascha und andere Massenmörder wurden in Berlin von armenischen Rachekommandos aufgespürt und gerichtet. Diesen Helden der Operation Nemesis gebührt Hochachtung!
Es sollte ein Jahrhundert dauern, bis der Bundestag im Jahr 2016 den Völkermord an den Armeniern anerkannte. Doch beklagt wurde in der Resolution lediglich die unterlassene Hilfeleistung Deutschlands. Die aktive Beihilfe des deutschen Imperialismus zum Genozid wurde verschwiegen.
Profiteure der deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft, wie die führend am Bau der Bagdadbahn beteiligte Deutsche Bank, sollten schließlich nicht mit Entschädigungsansprüchen konfrontiert werden. Denn an der deutschen Türkeipolitik hat sich in den letzten 100 Jahren nichts geändert. Weiterhin gilt es, die Türkei aus geopolitischen Interessen an der Seite Deutschlands zu halten – gleichgültig ob darüber Armenier oder heute Kurden zugrunde gehen.
Lasst uns gegen die Waffenbrüderschaft der herrschenden Klassen von Berlin über Ankara bis Baku die Geschwisterlichkeit der Völker setzen – die Einheit der Revolutionäre und Demokraten in der Türkei und Kurdistans, in Armenien und Arzach, in Rojava und Shingal – und auch hier in Deutschland!
Zum Abschluss meiner Rede möchte ich euch die Kampfesgrüße der Berliner Plattform der Vereinigten Revolutionsbewegung der Völker HBDH und der Vereinigten Revolutionsbewegung der Frauen zu überbringen. Die HBDH vereint die kurdische Freiheitsbewegung und marxistisch-leninistische Revolutionäre aus der Türkei und Kurdistan zum gemeinsamen Kampf gegen das faschistische AKP-MHP-Regime. Und wir sind froh und stolz darauf, dass auch das armenische Märtyrer Nubar Ozanian Battalion in Rojava an der Seite dieser Freiheitsallianz steht.
In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität!