In Rojava laufen die Vorbereitungen für einen Angriff auf Hochtouren. Denn die Angriffspläne des türkischen Staats gegen Rojava bedrohen die Existenz der Rojava-Revolution. Schon die Invasionen und Besetzungen 2018 in Afrin und 2019 zwischen Tell Abyad und Serê Kaniyê waren ein harter Schlag für das selbstverwaltete Gebiet. Tausende wurden vertrieben, dies auch mit dem Ziel einer ethnischen «Säuberung». In kurdisch besiedelten Gebieten werden andere Bevölkerungsgruppen angesiedelt. Insbesondere wurden auch ehemalige Mitglieder des IS und anderer dschihadistischen Gruppen in den besetzten Gebieten untergebracht.

Wirtschaftlich ist vor allem die Besetzung Afrins ein Problem für Rojava, da dort insbesondere seit Beginn des Bürgerkriegs ein Grossteil der Wirtschaftsleistung für den Eigenbedarf von Rojava erwirtschaftet wurde.

Erdogan forderte nun, wie er es schon 2019 tat, eine 30 km breite «Sicherheitszone» entlang der türkisch-syrischen Grenze. Da viele der grösseren Städte wie Kobanê, Minbic, Qamişlo und Dêrik sowie die Erdölvorkommen in diesem Gebiet liegen und der einzige offene Grenzübergang in Semalka (zwischen Başur/Nordirak und Rojava) damit unter türkische Kontrolle geraten würde, wäre dies das Aus für Rojava.

Zur Vorbereitung der Invasion läuft schon seit Wochen ein verstärkter Beschuss der Dörfer in der Nähe der Frontlinie durch Artillerie und häufige Drohnenangriffe. Erstere dienen vor allem dazu, die Bevölkerung aus den Dörfern zu vertreiben, damit eine Invasion einfacher wird, letztere sind gezielte Angriffe auf Mitglieder der SDF.

Eine türkische Invasion hätte auch Einfluss auf den IS. Im Februar gab es in Hesekê einen Angriff von IS-Schläferzellen auf das Gefängnis, in dem viele IS-Mitglieder sassen. Dieser wurde vom türkischen Geheimdienst unterstützt, vermutlich war das Ziel, einen Grund für eine Invasion zu schaffen, unter dem Vorwand, die Selbstverwaltung Rojavas könne sich nicht angemessen um die IS-Gefangenen kümmern. Durch den Sieg der SDF gegen den IS wurde die unmittelbare Gefahr entschärft, auch wenn etliche IS-Mitglieder unter anderem in die von der Türkei besetzten Gebiete fliehen konnten.

Sollten nun durch einen Angriff der türkischen Armee auf Rojava die Kräfte des SDF gebunden werden, wäre das eine weitere Gelegenheit für den IS, aktiv zu werden und Angriffe zu starten. Dies wäre insbesondere für die südlicheren Gebiete Nord-Ost-Syriens ein Problem, die nicht direkt Gefahr laufen von der Türkei besetzt zu werden. So hätte eine türkische Invasion auch ganz direkt eine Stärkung des IS zur Folge.

So weit ist es zum Glück aber noch nicht. Einerseits werden die SDF (Syrian Democratic Forces) das Gebiet nicht kampflos aufgeben und auch die Bevölkerung ist sich durchaus bewusst, was im Falle einer türkischen Besatzung auf sie zukommen würde und ist bereit, sich zu verteidigen. Auf der anderen Seite zeigen sich sowohl Russland als auch die USA eher skeptisch bis ablehnend dem Gedanken gegenüber, die Gebiete, in denen sie als «Schutzmacht» auftreten, der Türkei zu überlassen. Entgegen anderslautenden Gerüchten zieht sich das russische Militär nicht von der Front zurück, es gibt sogar Berichte, nach denen sie ihre Präsenz verstärken. Weiter wird von einem möglichen taktischen Bündnis zwischen der syrischen Armee Assads und den SDF gesprochen.

Ob das Erdogan an einem Invasionsversuch hindern wird, ist jedoch ungewiss. Innenpolitik steht er, vor allem wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage in der Türkei (die Inflationsrate und Teuerung steigen seit Monaten) unter grossem Druck und seine Versuche davon abzulenken sind nicht gerade erfolgreich. Im April startete die türkische Armee einen erneuten Angriff auf die Medya-Verteidigungsgebiete in Başur gegen die kurdische Freiheitsbewegung, bei dem sie immer wieder auch international geächtetes Giftgas einsetzt. Dank dem Widerstand der Guerilla ist der Angriff jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Vielmehr starben schon hunderte türkische Soldaten und Helikopter und Drohnen wurden zerstört. Auch im immer wieder zur Ablenkung benützten Konflikt mit Griechenland scheint Erdogan keine Erfolge zu verbuchen. Kürzlich verlangte er vom Nachbarland, die Ägäisinseln zu demilitarisieren, die griechische Regierung reagierte nicht gross darauf.

Die enge Kollaboration der europäischen Länder mit dem türkischen Faschismus ist mehr als bekannt, ebenso die Namen der Kriegsprofiteure. Im Angesicht der intensivierten Angriffe und einer drohenden Invasion ist es mehr denn je die Aufgabe der revolutionären Kräfte aktiv zu werden. Lassen wir dem Krieg kein ruhiges Hinterland!

Hoch die internationale Solidarität!

Für eine revolutionäre Perspektive!

Revolutionärer Aufbau Schweiz, 15. Juni 2022

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